Neulich erreichte mich wieder einmal eine Einladung zu WhatsApp, per Mail. Ich habe mich immer dagegen gewehrt und werde das auch weiterhin tun. Und weil mich das nervt, habe ich die letzte Einladung mit folgendem Text beantwortet:
Installieren Sie WhatsApp
Sie sind sicher so ein Depp
In diesem meinem Leben
wird es das nicht geben.
WhatsApp oder Chrome,
Windows auf dem Phone
ist was für die Doofen.
Sollen die’s doch koofen
Hast mein‘ Artikel du im Blog gesehen?
Jetzt ist es auch um dich geschehen.
Die NSA hat dich im Fokus,
selbst wenn du liest dies auf dem Lokus
Vorsicht sollte walten,
wenn mails zu mir du schickst
Verlinkungen sie schalten
wenn posts von mir du klickst
Geheime Sprache nun
sie sicherlich vermuten tun.
Verstehen können werden sie es nie
Vielleicht Bedauern äußern werden sie.
Ressourcen, Hardware und auch Netzen
sich sinnlos werden sie ergetzen
Zu finden den Verfasser dieser schrägen Worte
wo immer er auch ist, an welchem Orte
Gewarnt seist du in aller Güte
vergiss niemals die schlappen Hüte
Ihre Nähe ist allgegenwärtig,
ihr Geist dagegen völlig fertig.
Wenn wollen sie dir naherücken
bestimmt du wirst dich nicht entzücken
drum sei gewahr
dir der Gefahr
Und hüte dich vor Softwarefallen
sonst darfst du rechnen dich zu Allen.
All jenen denen dies bereitet keinen Kummer
und täglich werden immer dummer
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil, und wenn mir jemand Kleingedrucktes unter die Nase hält, bin ich vielleicht einer der Wenigen, die versuchen, sich durch diesen Müll zu wühlen, um auch nur annäherungsweise zu verstehen, um was es dabei geht.
Die übliche Vorgehensweise bei einer in den AGB versteckten erforderlichen datenschutzrechtlichen Einverständniserklärung ist Scrollen und nach dem Opt-in-Feld zu suchen. „I agree“. Was man sich damit im Zweifel antut, lässt sich nur erahnen, wenn man liest, dass z.B. Microsoft bei der Xbox One Kinec die Kamerafunktionen der NSA zur Verfügung stellt und man damit in seiner Privatsphäre beobachtet wird. Leuten, die ohne Xbox nicht leben können, ist insofern zu raten, die Kamera mit einem Post-it abzukleben. Ganz nebenbei vielleicht auch ein Tipp für diejenigen, die eine Vorliebe für Pornos auf dem Laptop haben. Man weiß ja nie, was Leute so alles machen. Man könnte dazu ja die NSA befragen, die kennt sich da bestens aus.
Und darum geht es in diesem Beitrag.
Was tun?
Nehmen wir einmal WhatsApp. Sicher ist das eine praktische Einrichtung, wenn es darum geht, Informationen mit anderen zu teilen. Aber es gibt ja noch ein paar andere Adressaten mehr, von denen die Beteiligten nichts wissen, außer, man schaut in die AGB.
Für viele Menschen ist es heute normal, netzbasierte Kommunikationsmittel zu nutzen und nicht über die Reichweite nachzudenken. Genau so normal, wie mein Kollege Fritz Abraham so treffend bemerkt hat, dass man sein Geburtsdatum beim Barzahlungskauf einer Waschmaschine angibt. Wozu, verdammt nochmal? Ist eine Waschmaschine etwa nicht jugendfrei?
Ich sage nicht: Abschalten oder Stecker raus, und zurück in die Steinzeit. Das geht nicht, und das will auch keiner. Ich rede hier von Bedacht und Umsicht im Umgang mit diesen Dingen. Man braucht kein WhatsApp, um Kontakt zu Leuten zu halten und Informationen auszutauschen und vor allem muss man nicht an jedem „Scheiß“ teilnehmen, der auf den Markt geworfen wird, nur damit andere an Informationen kommen, die man ihnen bspw. bei einem Verhör niemals geben würde, oder in der Privatwirtschaft ohne Wissen des Betroffenen zu Geld machen kann.
Wie ich das mache? Meine Meinung zu Xing kennen Sie. Ich habe daraus gelernt und gehe heute andere Wege. OK, ich gestehe, schuldig im Sinne der Anklage. Ich habe auch einen Facebook-Account.
Der eine oder andere Leser wird sich jetzt vielleicht fragen: Was macht der Erner denn da? Erzählt uns seit Jahren von der Schlechtigkeit der Welt und den bösen, bösen Dingen, die sich um soziale Netze ranken und dann sowas?
Nun, man muss ja wissen, wie der Kram funktioniert, wenn man davon erzählt und über die Risiken aufklärt. Als Datenschützer sollte man nicht wie eine Kuh vom Eierlegen reden. Und, liebe Leser, mein Account ist ein Fake. Nur für die erreichbar, die den Account kennen, weil ich das erlaube. OK, die Schlapphüte kennen diesen Account mit Sicherheit und denken jetzt vielleicht, ich weiß das nicht. Ist mir aber auch egal. Zu dem Warum mir das egal sein kann, komme ich später. Der Account läuft unter einem falschen Namen und falschen Kontaktdaten, was meine digitale Seele (Dank an Fritz für den Begriff) spannend macht. Aus unterschiedlichen Gründen.
Letztes Wochenende wurde mir von Facebook die Graph-Funktion vorgestellt, mittels der Daten in meinem Account. Nun, ich vermeide es online „Dinge zu mögen“ und Apps gehen gar nicht. Sie sind oft nur dazu da, Drittanbietern die Möglichkeit zu geben, meine Daten abzusaugen, so wie WhatsApp. Und wie viele Apps von den Schlapphüten entworfen wurden, kann man nur ahnen.
Weiterhin vermeide ich Meinungsäußerungen zu Religion, Philosophie, Politik, Beruf, Beziehungen oder anderen Leuten. Ich habe keine Adressen angegeben, keine Informationen zu Schule, Universität oder sonstigen Ausbildungsfragen und Facebook auch nicht erzählt, welche Interessen ich habe, welche Musik ich höre, was für Filme ich mag oder von welchen TV-Serien ich mich langweilen lassen könnte. Sogar mein Geburtsdatum ist falsch.
Bis auf eines. Ich fahre Motorrad und die überwiegende Mehrheit meiner Freunde bei Facebook auch. Es gibt ein paar Bilder von Orten, wo man wunderbar fahren kann und die teile ich mit den Moppedfreunden. Man kann auch mal zusammen ein Wochenende auf zwei Rädern verbringen und dabei fällt auch die eine oder andere Beschreibung an, die man in dieser Interessensgemeinschaft austauscht. Und „Facetagging“ durch die Vertreter dieser Gemeinschaft war von Anfang an mittels Androhung unangemessensten Übels meinerseits verboten.
Das ist meine Facebook-Nutzung, nicht mehr und nicht weniger. Und jetzt kommt Facebook-Graph. Im Prinzip der Vorschläge bei Amazon schlägt Facebook mir auf Basis der zur Verfügung sehenden Daten vor, für was ich mich interessieren könnte. Es gibt aber keine Daten von mir, außer denen meiner Freunde, die nicht zuhören, wenn ich etwas sage, fleißig das System füttern, und Freitextfelder ausfüllen, nur weil sie da sind und Facebook sie zum Ausfüllen auffordert.
Und daraus generiert Facebook nun mein Profil. Ein einziges Mal hat jemand auf meiner „Timeline“ einen Artikel zum Thema „Nichts zu verbergen“ gepostet. Und so bekomme ich einen Buchvorschlag von Facebook zu George Orwell. 1984. Schau an, Graph funktioniert, trotz meiner Datensparsamkeit. Oder vielleicht gerade deswegen? 1984 als Buchvorschlag, weil ich Facebook meine Daten nicht gebe?
Einer der spannenderen Aspekte meiner digitalen Seele ist ein Hinweis, den ich in den möglicherweise für mich interessanten Fensehangeboten gefunden habe. Ich wusste gar nicht, dass es die Lindenstraße noch gibt. Ich habe kein Fernsehen und ich zähle mich auch nicht zur Zielgruppe dieser Art von Volksverdummung. Aber Facebook schlägt mir diese Sendung als mögliches Interesse vor. Hmm. Wie das?
In Big Data habe ich über eine Studie in England berichtet, in der aus den Interessensgebieten von Facebooknutzern Profile mit Aussagen zu politischen Standpunkten oder sexueller Orientierung möglich werden, ohne dass die Nutzer diese Angaben konkret gemacht haben. Alleine aus den Dingen, die die Leute per „I like It“ mögen, oder für die sie sich interessieren, quasi: „Baumknutscher, weil …“
In dieser Studie heißt es auch, dass Harley-Fahrer nur über eine unterdurchschnittliche Intelligenz verfügen.
Bekomme ich deshalb die Lindenstraße als Interessensvorschlag? Ok, ich bin dümmer als ich dachte. Wenn mein virtuelles Leben, mein „second life“ oder meine digitale Seele für mich etwas bedeuten würde, oder andere die wenigen Informationen, die sie aus meinem Profil ziehen, gegen mich verwenden könnten, würde ich darüber vielleicht nachdenken. Aber dazu bin ich ja nicht clever genug. Und dank Facebook weiß ich das jetzt.
Ein aktuelles Beispiel aus meiner Lebenswelt:
In meinem MöwenBlog (www.kelting.de) habe ich einen Artikel gepostet, der im Sinne der konkreten Poesie (Bezeichnendes und Bezeichnetes werden eine Einheit) einen „konkreten“ Shitstorm initiert, der zum Inhalt verschiedene Fotos unterschiedlicher Scheiße-Formen und -Arten beinhaltet. Die Überschrift und der Permalink enthält die Worte: Shitstorm, NSA, Obama, Merkel. Ein elektronischer Shitstorm neuerer Art wurde von mir nicht initiert, mir geht es um die Kunstform „Konkrete Poesie“, so zu finden auch oft in den Texten des Bossa-Nova oder bei Eugen Gomringer, Helmut Heißenbüttel oder Enst Jandl.
Seither beobachte ich über die Statistikfunktion bei jeder Aktualisierung der Seite mehrere 2 Hits aus den USA, obwohl ich dort niemand kenne, keine Emails dorthin schicke (außer Yoko Ono) und auch sonst keine Kontakte zur USA pflege. Also, mir fällt das auf 😉