98 Datenfelder

Wussten Sie, dass Facebook jede andere Webseite, die Sie besuchen, sehen kann, wenn Sie bei Facebook eingeloggt sind? Und nicht nur das. Selbst wenn Sie nicht eingeloggt sind, bekommt Facebook jede Menge Informationen über Ihr Surfverhalten, weil es bei jedem Aufruf einer Seite, die mit einem “like-” oder “share-” button versehen ist, alarmiert wird. Liest sich dramatisch, aber “The Washington Post” schreibt tatsächlich “alerted”.
Doch dazu später. Erst möchte ich Ihnen von einer Studie zur “digitalen Selbstvermessung” berichten. … Ja, ich weiß. Wenn ich Sie wäre, wäre ich jetzt wahrscheinlich auch schon genervt und würde nicht weiterlesen. Studie? Selbstvermessung? …  Das ist wie “Vorratsdatenspeicherung” oder “Entsorgungspark”, was nichts anderes bedeutet als “Überwachung von Jedermann” oder “Müllkippe”. Euphemismen, die zur Verblendung oder Verharmlosung dienen. Digitale Selbstvermessung beschreibt die unbewusste Zulieferung von Gesundheitsdaten an Unternehmen und Personen, die man nicht kennt, damit diese Unternehmen und Personen sich daran bereichern können.
Ich verspreche, es wird spannend. Trotz der Begrifflichkeiten.

Im Rahmen einer Umfrage hat ein Marktforschungsinstitut 1.011 Verbraucher zwischen 15 und 69 Jahren zum Self Tracking und zur Weitergabebereitschaft ihrer persönlichen Daten befragt. Das Ganze nennt sich Repräsentative Studie zu Weitergabebereitschaft und Monetarisierung von Self Tracking-Daten.
Für die, die nicht wissen, um was es dabei geht: Schauen Sie mal auf Ihrem Iphone unter “Health”, wieviele Schritte oder wie viele Höhenmeter (Treppen, nicht Aufzüge …) Sie heute schon geschafft haben ;-). Oder lesen Sie den letzten Artikel.
Der Grund für die Umfrage der Marktfoscher wird auch angegeben. Auf der Betreiberseite heißt es: Im Zuge der Quantified Self-Bewegung erfasst bereits ein erheblicher Bevölkerungsteil kontinuierlich Daten über sich selbst. Gleichzeitig entstehen durch die zunehmende Generierung und Speicherung personenbezogener Daten immer detailliertere Datenvorräte über Kunden auf Unternehmensseite. Viele Unternehmen aus traditionellen Branchen wie Banken, Versicherungen und Energie stecken in Ertragskrisen. Sie haben Interesse daran, diese Datenbestände zu monetarisieren, wissen allerdings nicht, mit welchen Verwendungen und unter welchen Umständen die Bürger einverstanden sind. Bei einem Verstoß gegen das Datenschutzempfinden der Verbraucher droht ein erheblicher Imageschaden und der Verlust von Kunden.

Also erst einmal komme ich nicht umhin, Versicherungen, Banken und Energieversorger zutiefst zu bedauern. Angesichts der hier offenbar zu bekundenden roten Zahlen kullert mir doch die eine oder andere einsame Träne die Wange herunter.
Der nächste Euphemismus: Monetarisierung! Warum nennen die das Kind nicht beim Namen? Versilbern heißt das. Es geht um finanzielle Gewinne und damit dürfte jedem klar sein, dass es z.B. bei Angeboten der Krankenversicherung zur Tarifoptimierung durch Nutzung von solchen Daten nicht um das Wohl des Versicherten geht, sondern um Profit der Versicherung. Nicht, dass es nötig wäre, das zu erwähnen, so naiv ist der Bürger nicht, glaube (hoffe) ich zumindest…
Ja, ich verstehe, liebe Bankster, Versicherer und Energieversorger, es geht euch schlecht. Neoliberalismus, staatliche Unterstützung für Spekulanten und Subventionswirtschaft, all das reicht nicht, die Milliardenprofite werden weniger und es bedarf neuer Geschäftsfelder. Aber da gibt es dummerweise das lästige Hindernis des Datenschutzes. Und wie heißt die Lösung bei euch? Orientierung am Datenschutzempfinden… Nein, nicht am Gesetz. Imageschaden und Verlust von Kunden ist schwerwiegender als gesetzliche Verstöße. Was sonst, wäre ja auch mal was Neues, wenn dem nicht so wäre.

Ernsthaft? Sind wir schon so weit, dass solche Geschäftsfelder öffentlich auf einer Webseite publiziert werden? Da, wo es jeder lesen kann? Oder gehen die Verantwortlichen solcher Unternehmen davon aus, dass die Öffentlichkeit sich ohnehin nicht für Privatsphäre interessiert? Ist der einzelne Bürger schon so weit abgestumpft, dass er jeden noch so bösartig gelagertem Eingriff in seine Privatsphäre aus rein finanziellen Interessen hinnimmt? Oder ist das Ganze so kompliziert, dass man sich nicht die Mühe macht, diese Dinge zu hinterfragen? Ich denke (und hoffe) es ist eher Letzteres.

Wenn es nur um die Komplexität der Systeme geht; dem kann man abhelfen. Dem Ergebnis der Studie nach lesen nur 43 % der Teilnehmer die Datenschutzerklärungen von Onlineshops und 24 % die von Self-Tracking-Anwendungen (Ich hätte mit weniger gerechnet. Datenschutzerklärungen sind nicht dazu gemacht, dass sie gelesen und verstanden werden, sondern um an die Daten der Betreffenden heran zu kommen. Das erreicht man mit Länge und Komplexität).
Es würde aber auch eine überwältigende Mehrheit das Datenschutzverständnis des Grundgesetzes teilen. 96 Prozent seien der Ansicht, ohne explizite Zustimmung der Betroffenen sollten keine Daten übermittelt werden dürfen. Aber nur vier von fünf Deutschen würden zwar selbst Maßnahmen zum Datenschutz ergreifen, dies ginge bei den meisten aber nicht über das Löschen der Browserhistorie hinaus.
Nun. Letzteres ist einfach. Ebenso wie das Löschen der Cookies nach jeder Browsersitzung. Und damit muss man sich bei Facebook immer wieder anmelden.

Doch damit ist es nicht getan. Wer sich mit der Technik, den Trackingsystemen und Analysetools, beschäftigt wird feststellen, dass es um viel mehr geht, als nur die besuchten Webseiten zu analysieren. Das ist mühselig und so verschleiert, dass es dem Anwender nicht möglich ist, zu verstehen, was im Hintergrund passiert. Und damit muss man die Frage stellen, ob der geneigte Anwender wirksam seine Einverständniserklärung zu solchen Datenmodellen geben kann. Ich glaube nicht, dass selbst die, die für ein paar hundert Euro ihre Privatsphäre verkaufen, das immer noch machen würden, wenn ihnen klar wäre, welche Möglichkeiten man denen in die Hand gibt, die im stillen Kämmerlein ihr Unwesen treiben. Einen näheren Einblick in die Metadatenstrukturen gibt ein Artikel zu Facebook, der jüngst in der Washington Post veröffentlicht wurde. Zielgerichtete Werbung ist bei Facebook oberste Devise, wenn es um die Nutzer geht. Einer der Sprecher von Facebook sagt dazu: “Wir wollen, dass Nutzer Werbung auf Facebook als interessant, nützlich und relevant sehen.”

Und wie macht man das? Man analysiert den Nutzer. Dazu nutzt Facebook ein System mit 98 Datenfeldern. Und das ist nur die Oberfläche. Was man mit diesen Daten über Nutzer aussagen kann, welche Analysen und Persönlichkeitsprofile damit erstellbar werden, welche Machtinstrumente politischen Parteien, Geheimdiensten und vor allem auch der Privatwirtschaft mit solchen Erkenntnissen zugespielt werden können und was für Beeinflussungspotentiale damit als realistisch zu verstehen sind, muss jeder mit sich selbst ausmachen. Auf mich wirkt das wie die Erklärung für die Studie zur Monetarisierung von persönlichen und höchstpersönlichen Daten. Nutzer werden ohne ihr Wissen analysiert und versilbert, weil sie nicht wissen, was technisch möglich ist. Ganz nebenbei: Wenn Sie sich fragen, wie Facebook das macht, überlegen Sie mal, was für Schnittstellen WhatsApp auf Ihrem Telefon hat und welche Informationen Sie beim Verschicken vom Nachrichten senden. Den WhatsApp gehört zur Facebook. Gekauft für 19 Milliarden US Dollar. Die müssen natürlich wieder erwirtschaftet werden.
Aber sehen Sie selbst. Die nachfolgende Liste ist die selbe, die Unternehmen angeboten wird, die mit Facebook zielgerichtete Werbung betreiben möchten:

  1. Ort
  2. Alter
  3. Generation
  4. Geschlecht
  5. Sprache
  6. Bildungsniveau
  7. Ausbildungsbereich
  8. Schule
  9. Ethnische Zugehörigkeit
  10. Einkommen und Eigenkapital
  11. Hausbesitz und -typ
  12. Hauswert
  13. Grundstücksgröße
  14. Hausgröße in Quadratmeter
  15. Jahr, in dem das Haus gebaut wurde
  16. Haushaltszusammensetzung
  17. Nutzer, die innerhalb von 30 Tagen ein Jubiläum haben
  18. Nutzer, die von der Familie oder Heimatstadt entfernt sind
  19. Nutzer die mit jemandem befreundet sind, der einen Jahrestag hat, frisch verheiratet oder verlobt ist, gerade umgezogen ist oder bald Geburtstag hat
  20. Nutzer in Fernbeziehungen
  21. Nutzer in neuen Beziehungen
  22. Nutzer mit neuen Jobs
  23. Nutzer, die frisch verlobt sind
  24. Nutzer, die frisch verheiratet sind
  25. Nutzer, die vor Kurzem umgezogen sind
  26. Nutzer, die bald Geburtstag haben
  27. Eltern
  28. Werdende Eltern
  29. Mütter in Typen unterteilt („Fußball, trendy“ etc.)
  30. Nutzer, die sich wahrscheinlich politisch betätigen
  31. Konservative und Liberale
  32. Beziehungsstatus
  33. Arbeitgeber
  34. Branche
  35. Berufsbezeichnung
  36. Art des Büros
  37. Interessen
  38. Nutzer, die ein Motorrad besitzen
  39. Nutzer, die planen, ein Auto zu kaufen (welche Art/Marke, und wann)
  40. Nutzer, die kürzlich Autoteile oder Zubehör gekauft haben
  41. Nutzer die wahrscheinlich Autoteile oder Service benötigen
  42. Art und Marke des Autos, dass man fährt
  43. Jahr, in dem das Auto gekauft wurde
  44. Alter des Autos
  45. Wieviel Geld der Nutzer vermutlich für sein nächstes Auto ausgeben wird
  46. Wo der Nutzer vermutlich sein nächstes Auto kaufen wird
  47. Wieviele Mitarbeiter die eigene Firma hat
  48. Nutzer, die kleine Unternehmen haben
  49. Nutzer, die Manager oder Führungskräfte sind
  50. Nutzer, die für wohltätige Zwecke gespendet haben (unterteilt nach Art)
  51. Betriebssystem
  52. Nutzer, die Browserspiele spielen
  53. Nutzer, die eine Spielekonsole besitzen
  54. Nutzer, die eine Facebook-Veranstaltung erstellt haben
  55. Nutzer, die Facebook-Payments benutzt haben
  56. Nutzer, die mehr als üblich per Facebook-Payments ausgegeben haben
  57. Nutzer, die Administrator einer Facebookseite sind
  58. Nutzer, die vor Kurzem ein Foto auf Facebook hochgeladen haben
  59. Internetbrowser
  60. Emailanbieter
  61. „Early Adopters“ und „late Adopters“ von Technologien
  62. Auswanderer (sortiert nach dem Ursprungsland)
  63. Nutzer, die einer Genossenschaftsbank, einer nationalen oder regionalen Bank angehören
  64. Nutzer, die Investoren sind (sortiert nach Typ der Investition)
  65. Anzahl der Kredite
  66. Nutzer, die aktiv eine Kreditkarte benutzen
  67. Typ der Kreditkarte
  68. Nutzer, die eine Lastschriftkarte haben
  69. Nutzer, die Guthaben auf der Kreditkarte haben
  70. Nutzer, die Radio hören
  71. Bevorzugte TV-Shows
  72. Nutzer, die ein mobiles Gerät benutzen (nach Marke aufgeteilt)
  73. Art der Internetverbindung
  74. Nutzer, die kürzlich ein Tablet oder Smartphone gekauft haben
  75. Nutzer, die das Internet mit einem Smartphone oder einem Tablet benutzen
  76. Nutzer, die Coupons benutzen
  77. Arten von Kleidung, die der Haushalt des Nutzers kauft
  78. Die Zeit im Jahr, in der der Haushalt des Nutzers am meisten einkauft
  79. Nutzer, die „sehr viel“ Bier, Wein oder Spirituosen kaufen
  80. Nutzer, die Lebensmittel einkaufen (und welche Art)
  81. Nutzer, die Kosmetikprodukte kaufen
  82. Nutzer, die Medikamente gegen Allergien und Schnupfen/Grippe, Schmerzmittel und andere nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel einkaufen
  83. Nutzer, die Geld für Haushaltsgegenstände ausgeben
  84. Nutzer, die Geld für Produkte für Kinder oder Haustiere ausgeben (und welche Art von Haustier)
  85. Nutzer, deren Haushalt mehr als üblich einkauft
  86. Nutzer, die dazu neigen online (oder offline) einzukaufen
  87. Arten von Restaurants, in denen der Nutzer isst
  88. Arten von Läden, in denen der Nutzer einkauft
  89. Nutzer, die „empfänglich“ für Angebote von Firmen sind, die Online-Autoversicherungen, Hochschulbildung oder Hypotheken, Prepaid-Debitkarten und Satellitenfernsehen anbieten
  90. Wie lange der Nutzer sein Haus bereits bewohnt
  91. Nutzer, die wahrscheinlich bald umziehen
  92. Nutzer, die sich für Olympische Spiele, Cricket oder Ramadan interessieren
  93. Nutzer, die häufig verreisen (geschäftlich oder privat)
  94. Nutzer, die zur Arbeit pendeln
  95. Welche Art von Urlaub der Nutzer bucht
  96. Nutzer, die kürzlich von einem Ausflug zurückgekommen sind
  97. Nutzer, die kürzlich eine Reise-App benutzt haben
  98. Nutzer, die ein Ferienwohnrecht haben

1 Gedanke zu „98 Datenfelder“

  1. „Orientierung am Datenschutzempfinden“ bedeutet aus Sicht der Mehrheit der Benutzer ganz einfach: „Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss“. Wir verschliessen alle unsere Augen vor der Tatsache, dass wir permanent überwacht werden. Ist man Datenschutz affin, dann tut einem das weh. Was auch weh tut, ist, wenn man neben einem steht, der Uber nutzt und sieht, welcher Uber Fahrer ihn gleich abholen wird, während man selbst verzweifelt versucht, die besetzte Taxinummer anzurufen! Gibt es denn keine Anbieter, die einen vernünftigen Mittelweg gehen und zumindest ein bisschen Anstand übrig haben (sind vermutlich alle eingegangen)? Gibt es noch Anwender, die bereit sind für etwas zu bezahlen, was ja wirklich einen Mehrwert hat (werden wohl alle in der ersten Marsmission als Passagiere dabei sein)? Oder vielleicht entwertet sich ja die Währung „Personendaten“ selbst. Wenn jeder alle Daten über jeden hat, sinkt der Wert dieser Währung auf NULL. Keine wirklich tollen Aussichten und man fragt sich wirklich, ob sich die Wahrnehmung der Nutzer ändern wird. Ich bin da eher pessimistisch.

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