Wie kaufen Sie ein? Online im Netz, oder gehen Sie selbst ins Geschäft? Und haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie Sie online aussehen?
Ich meine nicht ihr Foto bei Facebook oder in anderen sozialen Netzen. Das kann man leicht ändern. Nein, die Frage bezieht sich auf Ihr Kundenprofil, Ihre digitale Seele, die Sie z.B. bei Amazon haben. Denn eine Änderung dieses Bildes von Ihnen wird schon ein wenig schwieriger. Big Data ist hier wieder einmal das Thema.
Es gibt Leute, die sagen, Waren oder Dienstleistungen via Internet sollte man meiden, weil die Anbieter alle möglichen Daten speichern und ihre Kunden mit Reklamemüll belästigen. Reklamemüll ist aber eine veraltete Ansicht, denn das was man unter Reklame versteht, beschränkt sich im Wesentlichen auf die Werbeblöcke im Vorabendprogramm der ARD, bevor es das Privatfernsehen gab. Im Onlinehandel heißt das zielgerichtete Werbung und diese ist durch Big Data schon so weit perfektioniert, dass der Kunde gar nicht mitbekommt, wenn er beworben wird, es sei denn, man hat ein wenig Ahnung davon und achtet darauf. Und das ist erst der Anfang.
Durch Big Data werden Kunden heute so weit analysiert, dass Preise dynamisch gestaltet werden können. In der FAZ war jüngst über die These zu lesen, dass die Systeme, mit denen im Internet gesurft wird, von den Online Shops ausgelesen werden. Workstation, Laptop, Tablet oder Smartphone? Der Browser und welches Betriebssystem? Applenutzer werden jetzt erbost sein, aber es scheint tatsächlich so zu sein, dass Nutzer hochpreisiger Hardware beim Online-Shopping höhere Preise zu zahlen haben, als Nutzer günstigerer Systeme.
Heißt also, dass der Nutzer eines iMac mehr zahlt. Spannend wäre jetzt sicher die Frage zu erörtern, wie der Nutzer einer goldenen iWatch bewertet würde, die immerhin 18.000,- EUR kostet. Bei Leuten, die einen Haufen Geld für so einen Blödsinn ausgeben, macht sich die Ortungsfunktion für Online-Anbieter bezahlt. Die Wohnlage ist seit Geomarketing ein alter Hut, gibt aber den Anbietern von Online-Shops u.a. die Möglichkeit zu verstehen, ob jemand im Laden um die Ecke einkaufen kann, oder auf einen Kauf im Internet angewiesen ist, weil eine lange Anreise in Kauf genommen werden müsste.
Nicht nur bei jemandem, der sich für Obst begeistert und z.B. tagelang vor einem Applestore campiert, um die jüngste Entwicklung als einer der ersten zu erwerben, ist die Surfhistorie von Interesse. Wer sich Zeit nimmt für Kaufentscheidungen, Preise recherchiert, sich über das Produkt im Netz informiert, mit anderen Produkten vergleicht oder andere Online-Anbieter aufruft, wird feststellen, dass die Preise sich ändern. Diese dynamische Preisgestaltung hat Google sich bereits patentieren lassen.
Was also tun, um sich nicht dermaßen manipulieren zu lassen?
Vor ein paar Jahren erzählte mir ein Journalist einer deutschen Boulevardzeitung von einem Interview, das die Zeitung mit einem namhaften Vertreter der Antivirenszene geführt hatte. Das Interview wurde nicht veröffentlich, und die Theorie des Journalisten dazu war, dass den Redakteuren Werbeeinnahmen wichtiger wären, als der Öffentlichkeit Informationen darüber zu vermitteln, mit welchen Methoden heutzutage im Handel gearbeitet wird. Könnte ja doch zu der einen oder anderen Verstimmung führen, wenn die werbenden Unternehmen in der gleichen Zeitung angeprangert würden. Was mir nachhaltig aus dieser Erzählung in Erinnerung blieb, ist die Haltung des Virenspezialisten, dass er kein Online-Banking macht, keine Kreditkarte hat und auch nicht im Netz einkauft. Bemerkenswert, dass jemand, der den Technikverstand und die Erfahrung hat, sich anonym im Netz bewegen zu können, es vorzieht, offline zu bleiben. Ganz im Gegensatz zu seiner Frau, die nach seiner Aussage keinerlei Hemmungen hätte, online einzukaufen und die digitale Welt in Gänze in Anspruch zu nehmen.
Hier offenbart sich das Dilemma. Des Virenspialistens Frau macht deutlich, dass Reize, die auf jemanden ausgeübt werden, so verlockend sien können, dass sämtliche Nachteile in Kauf genommen, oder ignoriert werden. Was man nicht sehen, fühlen oder riechen kann, scheint für die meisten Menschen nicht existent zu sein. Insbesondere nicht, wenn heutiges Verhalten Nachteile in der Zukunft entstehen lässt.
Die, die keinen Amazon-Account haben, argumentieren mit Vorbehalten hinsichtlich der Analyse eigener Interessen oder des Verkaufs des persönlichen Profils an Dritte, aber auch mit den Sicherheitsgesetzen vor allem in den USA. Wer bei einer eventuell zukünftigen Einreise in die USA kein Problem damit hat, von den Sicherheitsleuten gefragt zu werden, warum er dieses oder jenes Buch lese oder sich einfach nur dafür interessiere, macht sich auch keine Gedanken darüber, seine digitale Seele möglichst sparsam zu gestalten. Denn wenn die Frage kommt, ist das betreffende Buch im Zweifel nicht im Gepäck.
Andere, die sich um ihre Privatsphäre sorgen, sollten sich gut überlegen, ob sie online einkaufen, oder nicht. Letztlich ist dies eine Frage des Wissensvorsprung seitens der Anbieter. Denn der Online-Handel ist höchst manipulativ. Da es immer um die Frage geht, wer man ist, was man macht, wofür man sich interessiert und welche Potentiale man hat, unterscheiden sich Online-Händler nicht sonderlich von staatlichen Stellen. Ob potentieller Terrorist oder potenter Käufer wird durch Verhaltensanalysen und Umgebungsvariablen eruiert, die der Betreffende im Zweifel überhaupt nicht mitbekommt.
Ein Vergleich zum klassischen Handel macht deutlich, wo hier das Risiko liegt. In Verkaufsgesprächen wird hier der sog. Nasenfaktor als eine entscheidende Position zum Verkaufserfolg verstanden. Im Umfeld der Finanzwirtschaft beschreibt dies die Bereitschaft eines Bangsters z.B. zur Kreditgewährung. Ein Sympathiefaktor, der abhängt von der Chemie zwischen Kunde und Anbieter. Auftreten, Kleidung, Eloquenz und damit einhergehendes Selbstbewusstsein sind Faktoren, die Entscheidungen wesentlich beeinflussen.
Jemand, der in Anzug und Krawatte auftritt, wird höflicher und respektvoller behandelt, als der lockere Typ in Jeans und T-Shirt. Man könnte auch sagen, dass ein Bangster vorsichtiger mit Krawattenträgern umgeht, da der erste Eindruck die Suggestion beinhalten könnte, dass der Kunde einer „höheren“ Gesellschaftsschicht angehört. Das, und in manchen Gebieten z.B. auch das gefahrene Auto, ist das äußere Bild, mit dem einem Gegenüber signalisiert wird, in welchem sozialen Umfeld man sich bewegt. Je höher, desto mehr Respekt wird einem entgegengebracht und desto mehr Umsatz erwartet der Verkäufer. In der realen Welt hat man direkt Einfluss darauf, kann sich darauf einstellen und dementsprechend reagieren.
In der digitalen Welt sieht das anders aus, weil der Verkäufer über den Kunden schon alles weiß, was er wissen muss, um ein gutes Geschäft zu machen. Dank Geomarketing und den Funktionen der dynamischen Preisgestaltung. Der Käufer wird so zum Manipulationspbjekt und hat deshalb einen entscheidenden Wissensnachteil, dessen er sich im Zweifel gar nicht bewusst ist.
Fair?
Nein. Aber übliche Praxis in der Welt, in der wir heute leben. Es geht um Manipulation und Profit. Aber wir haben es selbst in der Hand zu entscheiden, was wir wollen und wie wir damit umgehen.
1 Gedanke zu „Die dynamische Preisgestaltung“
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