So ein Schrott

Unsere Wirtschaft liegt darnieder. Doch dagegen ist ein Kraut gewachsen: Frau Merkel und Konsorten werfen Geld unters Volk, und zwar für den Autokauf. Das Ganze firmiert unter dem Namen „Umweltprämie“ – direkter ausgedrückt: Abwrackprämie. Nun trabt Angie Merkel natürlich nicht selbst zu Abwrackwilligen und drückt ihnen 2500 Euro in die Finger. Nein, sie hat die Auszahlung des Verschrottungsbonus an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) delegiert. Diese Behörde verteilt das auf 600000 Antragsteller limitierte Budget nach dem Prinzip „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Damit der (angeblich) ausgelöste Run auf die Prämie nicht in wüstes Hauen und Stechen ausartet, soll eine sekundengenaue Protokollierung der Antragseingangsreihenfolge nötig geworden sein. Also hieß es: Salto rückwärts – weg von der Beantragung auf dem Papierweg zum Online-Verfahren, was das BAFA überfordert zu haben scheint. Deshalb wurde heise online nach das Formular zur Online-Reservierung von einem externen Dienstleister „gestrickt“. Und weil für die Umstellung ca. eine Woche blieb, ließ der beim Stricken mit heißer Nadel ein paar Maschen fallen …

So kam es, dass am letzten Montag neben der Wirtschaft noch etwas anderes darniederlag: nämlich der Server, auf dem das Online-Reservierungsverfahren „UMP neu“ liegt. Den Andrang tausender Nutzer quittierte er mit Arbeitsverweigerung. Wer dennoch die Nerven behielt und sich durch die zähe Prozedur quälte, wurde mit einer Vorgangsnummer belohnt. Die erhielt er – wenn er Glück hatte – in einer E-Mail mit einem PDF-File.

Dumm nur, dass die entsprechende Mail teils an die falschen Empfänger versandt wurde. Für Herrn Müller, wohnhaft in der Münchner Hauptstraße, und Herrn Schulze, wohnhaft in der Goethestraße in Köln, bedeutet dies zunächst nur: Vergebene Liebesmüh, Reservierungsprozedur wiederholen. Bei Frau Müller-Piepenkötter aus Ballrechten-Dottingen und Herrn Knödler-Schreblowski aus Ribnitz-Damgarten sieht die Sache schon anders aus: Die beiden wissen nun sehr genau, wer außer ihnen die Konjunktur ankurbeln will. Und nicht nur das: Sie kennen neben der Wohn- auch die Mail-Adresse des anderen und die Daten des schrottreifen Altautos sowie Fahrzeugtyp und Schadstoffklasse des neuen Wagens. So wuchs sich die anfängliche IT-Panne zu einer Datenschutzpanne aus.

Zwar war zunächst unklar, wie viele Bestätigungen falschen Adressaten zugestellt wurden. Doch trotz des zähen Ablaufs dürfte es heise online gemäß einigen Tausenden gelungen sein, ihre Online-Reservierung zu vollziehen. Glück im Unglück hätten Frau Müller-Piepenkötter und Herr Knödler-Schreblowski, wenn die Bestätigungen immer nur paarweise an die Antragsteller geschickt worden wären. Doch das scheint nicht der Fall zu sein: Es ist davon auszugehen, dass manche Mails gleich mehreren (falschen) Abwrackern zugestellt wurden. Mathematikern dürften über die Zahl der möglichen Vertauschungen respektive Fehlzustellungen Freudentränen in die Augen treten.

Vom Sinn und Erfolg der Maßnahme einmal abgesehen, kann man sich trefflich über deren Gerechtigkeit streiten. Denn wer keinen oder nur einen langsamen Internetzugang sein eigen nennt, hat schlechte Karten. Diesen Personengruppen bleibt nur, auf die Prämie zu verzichten oder sie sich auf Umwegen zu beschaffen. Aus diesem Grund hält der Automobilclub Europa (ACE) das Online-Verfahren für verfassungswidrig. Ob man diese Auffassung teilt, sei mal dahingestellt – doch ein schaler Nachgeschmack bleibt allemal: Wer mehrere Stunden versucht hat, sich die Reservierung der Schrottprämie bestätigen zu lassen, dürfte das Bedauern des BAFA über den verunglückten Start des Online-Reservierungsverfahrens als Hohn empfinden. Und dass „technische Schwierigkeiten“ die Ursache waren, ist ein schwacher Trost: Das dürften tausende von Antragsstellern auch ohne dieses Eingeständnis bemerkt haben. Unvermeidlich? Vielleicht. Doch die Daten der Antragsteller unverschlüsselt und noch dazu falschen Empfängern zuzuschicken, würde ein Lehrer wohl mit „Das üben wir noch mal.“ kommentieren.

Alles in allem dürfte das Fazit manches Antragsstellers zur „UMP neu“ lauten: Schrottreif!