Der Biologe bezeichnet sie als Sciurus vulgaris, Bernhard Grzimek hätte sie „possierliche Nager“ genannt und einem Artikel auf Spiegel online gemäß benennt die Deutsche Bahn Spähaktionen nach ihnen: Eichhörnchen. Putzige Tierchen, ohne Zweifel – aber ihre Gier auf Nüsse und ähnliche Naturalien ist schier grenzenlos. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Bahn. Die giert auch: Nach Informationen über ihre Mitarbeiter und deren Angehörige. Darum soll die Bahn mehrere Spionagemaßnahmen durchgeführt haben, eine davon unter dem Codenamen „Eichhörnchen“ – der Namengeber wird sich seinen Teil gedacht haben …
Insgesamt soll der Konzern 173000 Personen bespitzelt haben. Davon soll ein Großteil des Top-Managements und deren Ehepartner betroffen sein. Als Grund für das Ausspionieren der Betroffenen nennt die Bahn den Verdacht der Korruption. Deshalb habe man 2003 eine Detektei damit beauftragt, herauszufinden, ob Bahn-Manager oder ihre Ehepartner außerhalb des Konzerns wirtschaftlich engagiert seien. Bei der verdeckten Aktion „Eichhörnchen“ bestand kein konkreter Verdacht. Dennoch habe die Bahn-Revision der Detektei eine CD mit persönlichen Daten von annähernd 800 Führungskräften ausgehändigt. Mit gezielter Tätersuche hält sich das Staatsunternehmen offenbar nicht lange auf.
Ein Einzelfall? Nein, denn schon 2002 soll im Projekt „Babylon“ eine Rasterfahndung initiiert worden sein, anstatt die Täter gezielt zu suchen: Damals habe man besagter Detektei den Auftrag erteilt, Verbindungen zwischen Bahn-Mitarbeitern und Lieferanten zu ermitteln. Auch in diesem Fall waren hunderte von Personen betroffen. Dabei soll die Detektei auch Bank- und Telefonverbindungen der Betroffenen durchleuchtet haben.
Kommen wir auf das gemeine Eichhörnchen zurück: Seine Hauptfeinde sind Greifvögel und Marder. Letztere sind – nicht nur Autofahrern – als in der Wahl ihrer Mittel wenig zimperliche Zeitgenossen bekannt. Dieser Ruf könnte einst auch der Network Deutschland GmbH vorauseilen – am Rande bemerkt besagte von der Bahn beauftragte Detektei, die schon für die Telekom tätig war. Aussagen über künftige Meldungen zu Datenschutzverletzungen sollte man eher nach einem Blick in die Auftragsbücher der Network Deutschland GmbH als in eine Kristallkugel wagen …
Als der Stern die Bahn mit seinen Rechercheergebnissen konfrontierte, räumte die Bahn neben den Spitzelaktionen auch mögliche Datenschutzprobleme ein. Zwar sei das Verfahren noch nicht abschließend bewertet, doch Anhaltspunkte für eine Beteiligung von DB-Mitarbeitern an Straftaten gebe es bislang nicht. Beruhigend: Wenigstens wurden die Mitarbeiter vergeblich ausspioniert – oder spricht man sich selbst prophylaktisch von jeglicher Schuld frei?!
Mittlerweile prüft der Datenschutzbeauftragte Alexander Dix, der den Konzern beaufsichtigt, die Zahlung eines Bußgeldes. Ferner schließe man „in einigen Fällen“ einen Straftatbestand nicht aus, weshalb man die Einschaltung der Staatsanwaltschaft erwäge. Fast sicher ist damit schon mal eine Erhöhung der Fahrkartenpreise …
Nachdem bekannt wurde, dass die Bahn 2005 erneut Datenabgleiche vorgenommen hatte, stellen verschiedene Reihen die Frage, wie weit Unternehmen zur Korruptionsbekämpfung in die Persönlichkeitsrechte ihrer Mitarbeiter eingreifen dürfen. In diesem Zusammenhang macht sich der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz stark.
Gegen Vergleiche mit Datenschutzskandalen wie bei der Telekom oder Lidl verwehrt sich die Bahn vehement, das sei „völlig falsch und abwegig“. Nun ja, jeder fängt mal klein an – und um ein letztes Mal auf das Eichhörnchen zurückzukommen: die produzieren nach einer Tragzeit von 38 Tagen drei bis sieben Junge. Sollten der Bahn ähnliche Reproduktionszyklen gelingen, dürfte uns in nächster Zeit sicher noch die eine oder andere Nachricht ereilen …