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Daten-Skandal mitten in München. So titelte die Bildzeitung am 12.02. diesen Jahres. Man lese und staune, die Bild. Seit wann interessiert sich die Boulevardpresse für Datenschutz? Richtig, immer dann, wenn das Thema gleichzeitig massen- und sensationstauglich ist. Massentauglich ist es dann, wenn sich die breite Schar der Bildleser (die ja mehr wissen) persönlich betroffen fühlt. So wie bei Lidl, der Telekom, der Bahn oder den Abhöraktionen der NSA und Mutti Merkels Telefon.

Nur am Rande bemerkt dürfte man es durchweg als praktisch betrachten, wenn der Hofberichterstatter “Bild” Mutti kurz vor der Wahl Sympathien verschafft, weil Mutti ja als Opfer der NSA eine der Unseren ist. Es ist zwar dumm gelaufen, wenn sich hinterher herausstellt, dass Mutti ebenfalls zu den Bösen gehört. Aber “Die Bild” wird das schon richten … kurz vor der nächsten Wahl. Denn wenn die Seilschaften der CDU im Fokus stehen, wird sich der überparteiliche, unabhängige Kohl-Kumpel und Chefredakteur der Bild, Kai Dieckmann, gut überlegen, ob überhaupt negative Nachrichten zu Merkel und ihren Schergen erscheinen. Und wenn doch, dann wird aus einer Negativsensation eine positive Meldung gemacht.

Und was hat das nun mit einem Daten-Skandal am 02.02. zu tun? Erzählt wurde an diesem Tage die Geschichte eines bayerischen Krankenhauses, aus dem ein paar Säcke mit Röntgenbildern an der falschen Stelle aufgetaucht sind. Es heißt in der Bildberichterstattung “Links liegt ein Knochenbruch, rechts ein Krebstumor, ein durchleuchteter Schädel in der Mitte. Säuberlich mit Namen und Geburtsdatum der Patienten beschriftet. Und achtlos auf den Asphalt am Marieluise-Fleißer-Bogen in Neuperlach geworfen!” Das Krankenhaus wäscht seine Hände in Unschuld, denn “die Röntgenbilder wurden der Versorgungsfirma übergeben, um sie fachgerecht zu vernichten.”

Lassen wir einmal das Entsorgungsunternehmen (um ein solches sollte es sich nämlich handeln, und nicht um ein Versorgungsunternehmen) außer Acht. Verantwortlich für die fachgerechte Entsorgung von Patientendaten – nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen – ist das Krankenhaus. Wenn die Krankenhausverwaltung sich nicht selbst um die Vernichtung von Röntgenbildern kümmert, sondern dies durch einen Fachbetrieb erledigen lässt, ist sie dennoch gem. § 11 Bundesdatenschutzgesetz als Auftraggeber für die Tätigkeiten des Auftragnehmers verantwortlich. Zudem obliegt die Verwaltung als speichernde Stelle im Sinne des BDSG dem Straftatbestand des § 203 Strafgesetzbuch, der damit unter Strafe stehenden “Verletzung von Privatgeheimnissen.” Im Ergebnis heißt das, die Krankenhausverwaltung muss alles Notwendige tun, damit ein Verstoß gegen das Patientengeheimnisses ausgeschlossen bleibt. Wird ein Fachbetrieb beauftragt, muss dieser also Röntgenbilder entweder “berührungsfrei” entsorgen, was bedeutet, dass niemand im Fachbetrieb die Daten einsehen kann, oder den Vernichtungsprozess durch einen Mitarbeiter des Krankenhauses beaufsichtigen lassen. Der Umstand, dass Röntgenbilder auf der Straße gelegen haben, lässt also den Schluss zu, dass die Krankenhausverwaltung geschlampt hat. Denn wie so oft im Datenschutzrecht ist nicht die Frage, wie das passieren konnte, sondern was die Direktion des Krankenhauses getan hat, dass so etwas nicht passiert. Eine solche Betrachtung führt unweigerlich zum Ergebnis, dass hier Sorgfaltspflichten verletzt wurden. Die Begründung dafür ist einfach. Datenschutz kostet Geld. Geld, das Krankenhäuser in ihrer Selbstdarstellung nicht haben.

Ein Blick hinter die Kulissen wirft in Sachen Geld aber ein anderes Licht auf das Gesundheitswesen. Es fängt an mit einem Herrn namens Bernhard Große Broermann. Selbiger darf sich selbst als stolzen Eigentümer der Asklepios Kliniken betrachten und wird Anfang 2015 auf ein Vermögen von 2,6 Milliarden Dollar geschätzt. Richtig, liebe Leser. 2,6 Milliarden. Verdient im Gesundheitssektor. Erst in den USA, wo er Ende der 70er Jahre als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer mit der damals noch unter Ernst & Whinney bekannten Wirtschaftsprüfergesellschaft Ernst & Young im Mandantenauftrag eine US-Krankenhauskette mit 11 Krankenhäusern aufbaute. Danach gründete er mit einem Partner die Asklepios Kliniken GmbH, die Anfang der 90er Jahre durch Übernahmen von privatisierten Kliniken stark ausgebaut wurde. Der Partner spaltete sich ab und gründete die ebenfalls durch Funk und Fernsehen bekannten Helios Kliniken, die später durch Fresenius übernommen wurden.

Die dritte große Krankenhauskette, die durch eine Umgestaltung des Gesundheitswesen ermöglicht wurde, ist die Rhön-Kliniken AG, in der Brigitte Mohn, Tochter der Bertelsmann-Chefin Liz Mohn, als Vertreterin der Bertelsmann – Stiftung im Aufsichtsrat vertreten ist. Und die Bertelsmann Stiftung erstellt Konzepte zur Umgestaltung des Gesundheitssystems, das eine Begünstigung konzerngeführter Kliniken und medizinischer Versorgungszentren zu Ungunsten freiberuflich tätiger Ärzte beinhaltet.
Unnötig zu erwähnen ist die Verflechtung von Liz Mohn (u.a. RTL Group), Friede Springer (Springer SE, damit Bild, Die Welt, B.Z., u.a.) und Mutti Merkel. Deren regelmäßiges Kaffeekränzchen ist seit Jahren bekannt. Hierbei ist oft die Rede von einem plutokratisches Kartell, einer Symbiose von Reich & Mächtig oder einem Club zu gegenseitigem Nutzen. Mutti genießt dank des Wohlwollens von Friede und Liz publizistische Aufmerksamkeit und Imagepflege in einem Ausmaß, das mit Geld nicht zu bezahlen ist, und insbesondere die Bertelsmann Stiftung profitiert von einer Gesetzgebung zu Gunsten der eigenen Geschäftsmodelle, zu denen auch die Rhönkliniken AG gehören.

Ganz am Rande könnte man bei den Rhönkliniken noch die Frage stellen, was der Verkauf der Guttenberg’schen Familienanteile an den Rhönkliniken im Jahre 2002 für 260 Millionen EUR, mit dem Einzug Karl Theodors in den Bundestag sowie die Aufnahme in die Atlantik Brücke, das Aspen Institute und den Außenpolitischen Ausschuss des Bundestages im gleichen Jahr zu tun hat. Liz und Friede haben KT jedenfalls so lange gefördert, bis dieser über sein Plagiat gestolpert ist.

Die ganze Geschichte fällt unter Neoliberalismus, die Privatisierung staatlicher Aufgaben an Konzerne. Der Staat verliert hierbei Macht und Konzerne werden reich. So reich, dass sich deren Inhaber Eigentümer von Milliarden nennen können. Bernhard große Boermann hat jüngst das Atlantic Hotel in Hamburg gekauft, nicht das erste Luxushotel. Asklepios betreibt bereits im Bayerischen Nobel-Kurort Bad Griesbach ein 5-Sterne-Superior Haus. Eine Schwestergesellschaft des Klinik-Konzerns, die sich im ebenfalls im Alleinbesitz Bernard große Broermanns befindet, führt zudem mit der Königsteiner Villa Rothschild Kempinski und mit dem Falkenstein Grand Kempinski zwei weitere 5-Sterne-Superior Häuser.
Die Grüne-Fraktion kritisiert hieran, dass große Broermann seine Gewinne in den Zukauf von Luxus-Immobilien investiert, statt in den Ausbau der medizinischen Versorgung für die breite Bevölkerung. Und damit haben die Grünen wohl Recht. Es wurde bereits von Missständen im Personalwesen in den Krankenhäusern der großen Ketten berichtet, oder dass Prozesse im Gesundheitswesen zu Lasten der Patienten gehen. Weil es ums Geld verdienen geht, und nicht mehr vorrangig um die Gesundheit der Patienten.

Wenn dann Röntgenbilder an der falschen Stelle auftauchen, ist das nur ein logischer Schritt in der weiteren Entwicklung. Denn auch Röntgenbilder bringen Umsatz. Es geht hierbei um Verwertungen der Silberanteile in den Bildern im nicht unerheblichen Bereich. Normalerweise müssen Unternehmen für die fachgerechte Entsorgung von personenbezogenen Daten bezahlen. Nicht so bei Röntgenbildern, denn hier zahlt der Entsorger für die Verwertung. Damit hätte die Bildzeitung dann auch Recht, das Entsorgungsunternehmen für die Röntgenbilder “Ver”sorgungsunternehmen zu nennen. Nämlich der Versorgung des Krankenhauses mit Einnahmen. Was das für die betroffenen Patienten bedeutet, ist dabei offensichtlich nachrangig oder wird von den Verantwortlichen schlichtweg vernachlässigt. Hauptsache, die Kasse stimmt. Und Bild sorgt dafür, dass die Hintergründe verschleiert bleiben. Liz, Friede und Mutti werden wissen, warum.