Der Dienstwagen

Ein aus dem Umfeld militärischer Aktionen im Irak und Afghanistan bekannter und auch in die internationale Kritik geratener Konzern aus den USA hat eine Tochtergesellschaft mit Sitz in Norddeutschland. Wusste ich auch nicht, wurde mir aber gewahr durch ein “posting” des betrieblichen Datenschutzbeauftragten dieses Unternehmens zum Thema Dienstwagen in einem Forum für Datenschutzinteressierte. Mich wunderte zunächst ein wenig, dass der Absender des Postings seine Identität in diesem Forum bekannt gab, mit kompletter Signatur. Mag sein, dass der DSB dachte, dieses Forum sei nicht öffentlich, jedenfalls nicht für jedermann, es gibt schließlich nur ein paar hundert bis tausend Empfänger der Nachrichten.

Aber dann machte sich schnell meine an anderen Stellen gemachte Erfahrung breit, dass Tochtergesellschaften amerikanischer Unternehmen bei der Auswahl ihrer Datenschützer offensichtlich einen Schwerpunkt auf das Verständnis des betreffenden Kandidaten für berechtigte Interessen des Unternehmens setzen. Dies setzt voraus, dass diese Vertreter des Datenschutzes eine weniger sensible Einstellung zum Thema Privatsphäre haben und Abwägungen zwischen schutzwürdigen Interessen der betroffenen Mitarbeiter nach bundesdeutschen Recht und den berechtigten Interessen der speichernden Stelle, hier des Unternehmens, regelmäßig zu Gunsten des Unternehmens ausfallen lassen. Dies hat sich in meiner Vergangenheit vor allen Dingen bei der Übernahme von HR-Prozessen durch die in den USA ansässigen Muttergesellschaften bemerkbar gemacht, inkl. der amerikanischen hire-and-fire-Mentalität. Letztere hat sich in der jüngeren Vergangenheit durch Social Screening, Auswertung sozialer Netze und anderer Profilierungstechnologien durch externe Personalberatungsunternehmen auf einen bemerkenswert perfektionierten Stand der Personalanalyse entwickelt, welche der Bezeichnung HCM (Human Capital Management) leider mehr als gerecht wird. Wir reden heute also nicht mehr über Mitarbeiter und Menschen, sondern über Kostenstellen.

Der nun hier hinsichtlich seines offensichtlichen Hintergrundes beschriebene Datenschutzbeauftragte eines solchen Unternehmens postet also eine Frage zu einer Konzernregelung für Dienstwagen. Es geht um eine Vorgabe, in der die Höchstgeschwindigkeit von Dienstwagen auf 130 km/h begrenzt werden soll, und das z.T. auch bei Privatnutzung. Seine Frage, die in diesem Kontext gestellt wurde, bezieht sich auf die innerbetrieblichen organisatorischen Notwendigkeiten, wobei der Herr DSB die datenschutzrechtlichen Eckwerte dahingehend beschrieb, dass es aus seiner Sicht die sauberste Lösung wäre, dies durch einen Eingriff in die Fahrzeugelektronik zu gewährleisten.

Das so ein Vorschlag von einem DSB kommt, lässt sich nur damit erklären, dass es sich hier um ein amerikanisches Unternehmen handelt und in den USA das Thema Verhaltens- und Leistungskontrolle sowie Mitbestimmung der Arbeitnehmer unbekannt ist. Den Gedanken dennoch hier aufgegriffen, würde es also demzufolge einen Knopf am Amaturenbrett geben, der vom Dienstwagenmodus auf private Nutzung umschalten lässt. Und damit das Ganze auch kontrolliert werden kann, wird an das GPS – System gekoppelt. Das Finanzamt freut sich, weil jeder gefahrene km mit Geodaten erfasst wird, der Arbeitgeber ist glücklich, weil die Beweiskraft des GPS unumstößlich ist und der Nutzer des Dienstwagens kann sich überlegen, ob der Dienstwagen überhaupt noch eine Option ist.

Aber auch jenen, die sich unter solchen Bedingungen überlegen, einen Wagen fahren zu wollen, der nicht mit derlei Kontrollfunktionen ausgestattet ist, sei hier der Rat mitgegeben, sich z.B. mit dem BMW-Assist – System zu beschäftigen. Drückt man den Knopf in der Dachkonsole, spricht Frau BMW: “Wie kann ich Ihnen helfen?” Wie weit diese Funktionen gehen, die Frau BMW bedienen kann, wird in den nächsten Jahren jeder selbst erfahren können. Spätestens dann, wenn man auf das Angebot seiner Versicherung über Sonderkonditionen für gemäßigte Fahrweise oder vorgegebene Höchstgeschwindigkeiten eingeht und bei Verstoß eine SMS bekommt: “Sie sind soeben 121 km/h gefahren, und das auch noch auf einer Landstraße. Ihre Sonderkonditionen sind hiermit aufgehoben und der Tatbestand ist an die örtliche Bußgeldstelle übermittelt worden”.

Zukunftsvision? Science Fiction? Nein, keineswegs. Die EU wird in den nächsten Jahren die Hersteller von KFZ dazu verpflichten, Kontrollsysteme mit GSM-Modul zu verbauen. Der offizielle Titel ist Assist und es geht um Insassenschutz: “Hatten Sie einen Unfall? Leben Sie noch?” Inoffiziell wird damit eine weitere Kontrollfunktion geschaffen.

Der amerikanische DSB ist damit gar nicht so weit entfernt von der Realität. Was mich gruselt, ist die Akzeptanz der Öffentlichkeit in diesen Dingen. Vor allem, dass es den gemeinen Bürger offensichtlich überhaupt nicht zu stören scheint, mehr und mehr entmündigt zu werden.