Über Schlapphüte, Facebook und Paranoia

Edward Snowden ist in Moskau. Soll er zumindest sein. Gesehen hat ihn dort noch keiner und es ist nicht bekannt, ob er seinen Standort bei Facebook postet. Es dürfte aber auch sehr wahrscheinlich sein, dass es einen Edward Snowden nur in den Tagesmeldungen zu finden gibt und er selbst kein Profil in einem Social Network hat. Ecuador meldet soeben, dass sein Asylantrag zwei Monate dauern kann. Nähere Recherchen hierzu im Internet stehen im Zweifel, sich selbst dem Risiko auszusetzen, als potentieller Helfer in den Kreis der Verdächtigen einbezogen zu werden. Insofern auch hier keine weiterführenden Hinweise auf mögliche Aufenthalts- und Zugriffsmöglichkeiten. Gruß an die Schlapphüte …

Es gab einmal eine Zeit, in der Leute, die in sozialen Netzen ihren Echtnamen verwendeten, als naiv bezeichnet wurden. Das war vor Facebook. Heutzutage gilt für Nutzer des weltweit größten Social Networks ein Ausschluss von Pseudonymen, damit natürlich auch der einer anonymen Nutzung. Wer sich früher Snoopy oder Hase nannte, muss heute den Betreibern des Facebooks seinen wahren Namen bekannt geben, und dies wird sogar von der deutschen Gerichtsbarkeit bestätigt. Mit Beschlüssen vom 22.04.2013 entschied das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht, dass auf die Datenverarbeitung bei Facebook auch in Bezug auf deutsche Nutzer nicht deutsches, sondern ausschließlich irisches Datenschutzrecht anwendbar sei. Begründet wurde dies vom OVG damit, dass Facebook Ireland Ltd. eine Niederlassung von Facebook in Europa darstellt, nicht aber die Facebook Germany GmbH, die nur in den Bereichen der Anzeigenakquise und des Marketing für Facebook tätig sei.

Doch damit nicht genug. Die Facebook Germany GmbH hat im April 2013 einen Leitfaden für Politiker und Amtsträger vorgestellt, der zielgruppenspezifische Accounts und Fanpages bewirbt. Ein Schelm wer Böses dabei denkt und mutmaßt, dass diese Strategie dazu dienen könnte, die politische und gesellschaftliche Akzeptanz von Facebook zu steigern. Deutlich werden könnte dies auch dann, wenn man dies mit den Aussagen von Facebook zum Thema Datenschutzkontrolle in Deutschland vergleicht. Hier heißt es, Facebook stünde mit den Datenschutzaufsichtsbehörden in Europa und Deutschland in einem „konstruktiven“ Dialog. Konstruktiv ist subjektiv und liegt damit im Auge des Betrachters. Wer hat den Dialog angefangen und warum? Das war nicht Facebook. Auslöser der Diskussion waren „Like“-Buttons und „Fanpages“, die nach bundesdeutschem Datenschutzverständnis in den USA unzulässig ausgewertet werden …und immer noch nicht deaktiviert sind. Insofern weiß man, was Facebook unter konstruktiv versteht.

Fragen wir doch einmal anders. Was ist Facebook? Zunächst einmal nur eine Datenbank. Ohne Daten ist eine Datenbank nichts wert. Eine Milliarde Menschen weltweit nutzen derzeit Facebook. Die Gründe dafür sind sicher vielschichtig und jeder einzelne trägt dazu bei, dass Facebook überhaupt existieren kann. Übersehen wird hier aber, dass der einzelne Nutzer nicht erfährt, was mit seinen Daten passiert. Es ist nicht deutlich, wer darauf zugreifen kann und welche Konsequenzen es haben kann, das eigene Leben mit allen Facetten zu virtualisieren. Der Unterschied zum realen Leben besteht in der Dimension. Ein Computermonitor ist im Gegensatz zu den drei Dimensionen der realen Welt nur zweidimensional. Wir sehen nicht, was hinter der Monitorscheibe passiert und erst das macht Facebook möglich. Wüssten wir, wer alles sehen und auswerten kann, was wir fühlen, denken und tun, wäre das vielleicht anders. Oder nicht?

Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten … Insbesondere wenn es um Zugriffe von Einrichtungen geht, deren Existenz uns nicht bewusst ist. Was man nicht anfassen, sehen oder hören kann, scheint nicht zu existieren. In der DDR war jedermann klar, dass die Stasi allgegenwärtig war, und dementsprechend haben die Leute sich auch verhalten, um Nachteile zu vermeiden. Die Stasi und der Staatsapparat der DDR hätten ihre helle Freude an der heutigen Technologie gehabt und wer Zweifel daran hat, ob eine Glasfaserleitung abhörsicher ist, der sollte sich mit der Geschichte der DDR befassen. Das MfS hat schon 1989 die Glasfaserstrecke Hamburg-Berlin abgehört. Möglich wurde dies, weil im Westen damals davon ausgegangen wurde, die DDR hätte nicht die Technologie dazu. Das ist mehr als 30 Jahre her und die technologische Entwicklung ist seitdem nicht stehen geblieben. Auch nicht in der Entwicklung von Kapazitäten und Suchfunktionen …

Geheimdienste heißen Geheimdienste, weil die Machenschaften der Schlapphüte geheim sind und bleiben sollen. Beispielsweise lautete die Antwort der britischen Botschaft auf eine Anfrage der Merkelschen Regierung zum Abhörprogramm Tempora: „Wie Sie ja wissen, nehmen britische Regierungen grundsätzlich nicht öffentlich Stellung zu nachrichtendienstlichen Angelegenheiten.“ Wäre ja auch fatal, wenn die Antwort heißen würde, dass beiderseits des Atlantiks dieselbe Cloud genutzt wird. Wer würde die Cloud dann noch mit Daten füttern?

Vieles von dem, was diese Einrichtungen tun, war und ist gesetzlich legitimiert. Nicht immer öffentlich, aber legitim. Ob das den verfassungsrechtlichen Grundlagen einer Demokratie entspricht, ist wiederum auch nur eine Frage der Perspektive. Unter dem Aspekt der Terrorbekämpfung lässt sich vieles rechtfertigen, auch der Zugriff auf persönliche Lebensbereiche zur Analyse von Verdachtsmomenten, wie dünn diese auch sein mögen. Aber die Grenze zur Paranoia und die damit einhergehende Verletzung von Bürgerrechten ist damit schnell überschritten, Insbesondere dann, wenn die Verantwortlichen von Überwachungsmaßnahmen Angst vor Entdeckung haben.

Der US-Patriot Act bspw. erlaubt US-Behörden nicht nur den Zugriff ohne richterliche Anordnung auf die Server von US-Unternehmen, sondern auch ausländischen Tochtergesellschaften. Sie sind nach diesem US-Gesetz verpflichtet, Zugriff auf ihre Server zu gewähren, selbst dann, wenn nationale Gesetze des betreffenden Landes dies untersagen. Hinzu kommt, dass die Auskunft gebenden Gesellschaften unter Strafandrohung verpflichtet sind, gegenüber dem Betroffenen über das Behördeninteresse Stillschweigen zu bewahren. Betrachten wir einmal Amazon, bekanntermaßen ein Tochterunternehmen einer amerikanischen Muttergesellschaft. Hier heißt es in den AGB: „Wir geben Kundenkonten und persönliche Daten über Kunden bekannt, wenn wir hierzu gesetzlich verpflichtet sind.“ Es sind hinreichende Berichte über Nicht US-Bürger bekannt, die bei der Einreise in die USA gefragt werden, warum sie dieses oder jenes Buch lesen, wobei das Buch nicht im Gepäck ist. Wer sich nun für den Islam oder deutsche NS-Geschichte interessiert, landet somit automatisch auf der Verdächtigenliste.

„Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ waren einst die Worte des amerikanischen Präsidenten, der den „Krieg gegen den Terror“ und damit die fortschreitende Einschränkung einer freiheitlich demokratischen Welt ausgerufen hat. Heute verantwortet Friedensnobelpreisträger Barack Obama die Hinrichtung eigener Staatsbürger im Ausland ohne Prozess, das Töten von Menschen in fremdem Staatsgebiet auf Verdachtsmomente hin, Folter, unbegrenzte Haft ohne Prozess sowie das Mitspeichern von Emails unverdächtiger Bürger und das Abhören von Milliarden von Telefonaten weltweit. Yes, we can…

Und: In einem Land, das die meisten Straftäter pro Einwohner weltweit aufweist und in dem die Todesstrafe für Minderjährige verhängt wird, werden auch die Daten von 1 Milliarde Facebooknutzern gespeichert. Es ist jedem selbst überlassen, für sich zu entscheiden, ob die gesetzlichen Befugnisse der hier fraglichen Dienste begrenzt sind oder nicht.

Edward Snowden hat seine Entscheidung getroffen. In den USA hat er gegen Gesetze verstoßen, die geschaffen wurden, Feinde der Demokratie ausfindig zu machen. Damit ist er nach dort geltendem Recht ein Straftäter. Es bleibt fraglich, wer noch alles als Feind der Demokratie verstanden wird. Die facebookschen Foren werden sicherlich zur Antwort beitragen können… Solange man einen Account hat.