Gut gemeint

Wenn es nach dem Willen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) geht, sollen Bewerber sich künftig anonym bewerben können. Peter Schaar, den Bundesbeauftragten für den Datenschutz, freut es. Und an sich ist die Idee ja auch gut gemeint. An sich … denn haben Sie nicht auch schon die Erfahrung gemacht, dass „gut gemeint“ so ziemlich das Übelste ist, das man jemandem attestieren kann?

Sicherlich verhindert die Möglichkeit der anonymen Bewerbung in manchen Fällen die Diskriminierung von Bewerbern, z. B. wenn der Name des Bewerbers eine dem potentiellen Arbeitgeber unsympathische Herkunft erahnen lässt oder ihm schlicht dessen Nase nicht passt. Zudem kämpfen die Mitarbeiter in HR-Bereichen mit härteren Bandagen: eine Recherche in den sogenannten sozialen Netzwerken und im Internet dürfte inzwischen jeder Entscheidung, ob es zu einem Vorstellungsgespräch kommt, vorangehen. Unter diesen Bedingungen würde der Datenschutz in Bewerbungsverfahren durch anonyme Bewerbungen ohne Zweifel gestärkt. Es scheint also an der Zeit, zu frohlocken, wenn laut Heise neben dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem nordrhein-westfälischen Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales auch fünf Unternehmen an der ADS-Initiative teilnehmen.

Doch was versteht man denn gemäß der Antidiskiminierungsstelle unter einer anonymen Bewerbungsunterlage? Eine Bewerbungsmappe, die weder Foto, Name, Altersangabe noch Hinweise auf Geschlecht, ethnischen oder familiären Hintergrund enthält. Der Datenschützer spricht hier von Datensparsamkeit, einem zentralen Grundsatz des Datenschutzes. Tatsächlich müsste man bei einer Bewerbung auch ohne diese Angaben auskommen, denn hier geht es ja um Kenntnise, Fertigkeiten, Kompetenzen, Skills, die an den personenbezogenen Daten nicht ablesbar sind. Auf sie verzichten wollen Arbeitgeber offenbar jedoch nicht, denn prompt regt sich der Widerstand in Industrie und Handel mit der Begründung, fast jeden Bewerber einladen zu müssen, wenn man erst beim Vorstellungsgespräch erfahre, wen man vor sich habe. Nicht zuletzt deshalb würde sich die Personalsuche dann verteuern.

Die Personalsuche könnte sich aber auch deshalb verteuern, weil Arbeitgeber vermehrt dazu übergehen könnten, Headhunter und Zeitarbeitsagenturen für sich arbeiten zu lassen. Denn die wissen am Ende doch, wen sie in ihren Karteien führen. Womit sich die Frage stellt, ob man dem Datenschutz nicht sogar einen Bärendienst erweist. Umso mehr als manch anonyme Bewerbung sich als weniger anonym als gedacht erweisen dürfte. Schließlich kann man mit drei gut gewählten Fragen aus einer Gruppe Menschen wenige, wenn nicht sogar ein einzelnes Exemplar herausfiltern. Das sollte anhand der Angaben, die eine Bewerbung selbst ohne personenbezogene Daten enthält, kein Problem sein. Somit dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis jemand einen „Entanonymisierungsservice“ für die Arbeitgeberseite anbietet.

Und wo bleibt in dem Spiel der Bewerber, zu dessen Wohl das alles geschieht? Nun, vermutlich genau da, wo er auch beim gut gemeinten Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) blieb: auf der Strecke. Bevor das AGG griff, konnten Bewerber nach dem Vorstellungsgespräch noch erfahren, weshalb sie bei einem Arbeitgeber nicht landen konnten und aus ihren Fehlern lernen. Das ist mittlerweile nicht mehr drin. Ähnliches könnte bei anonymen Bewerbungen der Fall sein: Von fünf Bewerbern hat der Entanonymisierungsservice zwei Kandidaten als wahrscheinlich vorbestraft gekennzeichnet. Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, diese beiden zu diskriminieren, wird vermutlich einer der restlichen drei Kandidaten keine Einladung zum Vorstellungsgespräch erhalten. Diskriminierung mal anders …

Fazit? Bevor Bewerber und Datenschutz von anonymen Bewerbungen profitieren, wird man wohl noch einiges an Hirnschmalz aufbieten müssen – von einer anderen Umgehensweise mit seinem Gegenüber ganz zu schweigen.

1 Gedanke zu „Gut gemeint“

  1. Ihrer Kritik kann ich mich nicht anschließen, sehr geehrte Frau Dr. Weiß.

    Leider verführen zum Teil die personenbezogenen Daten dazu, die Bewerbung nicht ausreichend auf die Qualifikation hin zu prüfen. Ein Vorurteil verhindert dann ein sachliches angemessenes Urteil. Das und nur das gilt es zu verhindern.

    Im zweiten Schritt der Bewerbung werden die personenbezogenen Daten ja sowiso offensichtlich und führen dann vielleicht zu manchem ‚aha‘-Effekt, zudem es sonst nicht gekommen wäre und ein gut qualifiziertet Kandidat bekommt eine Chance, die er sonst nicht bekommen hätte. Ein Unternehmen bekommt so möglicherweise einen besseren Fachmann/-frau, der unter normalen Umständen am Alter oder dem Namen gescheitert wäre. Die Kostensituation der Personalbeschaffung wird dadurch kaum verändert – die Effizienz vielleicht schon.

    In den USA sind Bewerbungen ohne Bild, Vornamen, Geschlecht und Alter längst üblich.

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