Kennzeichen D

E – PS 1010. Dieses Kennzeichen wurde gestern im Radio verkündet. Zwei Ausbrecher aus der JVA Aachen hätten einen BMW der 5er-Serie durch Bedrohung des Eigentümers erlangt und befanden sich damit auf der Flucht. Die Medien verbreiteten im 20 Minuten-Takt die Meldung, man solle sich vorsichtig verhalten, da die beiden Ausbrecher bewaffnet und gewaltbereit wären. Jetzt wird man sich natürlich fragen, was das einen Datenschützer interessiert.

Vor ein paar Monaten vertrat bei einem Seminar ein Teilnehmer die These, ein KFZ-Kennzeichen sei ein personenbezogenes Datum, weil er ohne Einschränkung die Möglichkeit hätte, bei jedem Kennzeichen den Halter zu identifizieren. Auf meine Frage, ob er bei einer Behörde tätig sei, antworte er mit ja. Aha. Bliebe nun nur noch zu klären, bei welcher Behörde, da auch Behörden nur anlassbezogen Anfragen an das Verkehrszentralregister in Flensburg richten dürfen.

Es geht hier um eine Erlaubnis der Datenverarbeitung und der damit verbundenen Zweckbindung. Daten dürfen nur zweckgebunden verarbeitet werden und das bedeutet auch für Behörden, dass KFZ-Kennzeichen nicht ohne Grund in Flensburg abgerufen werden dürfen. Unser Seminarteilnehmer war sich dem nicht bewusst (wie viele Vertreter anderer öffentlichen Stellen auch …) und konnte von daher nur die These vertreten, dass ein KFZ-Kennzeichen ein personenbezogenes Datum ist. Aber wir wollen hier ja keinen Behördenvertreter verdächtigen, gegen Datenschutzbestimmungen zu verstoßen.

Allerdings, und das macht die Geschichte mit dem Essener BMW interessant: Es geht nicht nur um konkrete personenbezogene Daten, sondern auch um personenbeziehbare und auch deren Verarbeitung ist nicht erlaubt, es sei denn, öffentliche Interessen überwiegen.

E – PS 1010? Heute abend haben die Medien vermeldet, dass einer der Ausbrecher gefasst wurde. Passanten wäre der Fluchtwagen aufgefallen (… gut, dass es Passanten gibt, dann braucht man kein Toll-Collect-System zur Strafverfolgung …) Nun könnte der Hinweis an flüchtige Straftäter lauten: „Leute, seid nicht so dämlich und klaut euch ein Auto, dessen Kennzeichen sich jeder Depp merken kann!“

Aber wir können für diese Dummheit dankbar sein, die Straßen sind wieder sicher. Verbleibt nur der Eigentümer des BMW. Ob es ihm recht ist, dass ihn in den nächsten Wochen so ziemlich jeder, der sein Auto aufgrund seines Kennzeichens kennt (personenbeziehbar?), auf die Geschichte ansprechen wird? Vielleicht ist es doch besser, unauffällig zu bleiben …

3 Gedanken zu „Kennzeichen D“

  1. Sehr geehrter Herr Fränkel,
    ich stimme Ihnen zu. Eine Streichung wäre angebracht, wenn die von Ihnen monierte Passage tatsächlich sachlich falsch wäre. Ist sie aber nicht. Solange es Passanten gibt, die ein Kfz.-Kennzeichen erkennen können, braucht man keine technischen Hilfsmittel zur Erkennung, wie z.B. das Toll Collect System. Insofern weise ich den Vorwurf der Polemik entschieden zurück.

    Wie wir alle wissen, lassen technische Möglichkeiten Begehrlichkeiten wachsen. Und genau auf diesen Umstand zielt die von Ihnen monierte Bemerkung ab. Es gibt zahlreiche Fundstellen im Netz, die auf Begehrlichkeiten z.B. des damaligen Innenministers Wolfgang Schäuble verweisen, u.a. die Aussage, dass Herr Schäuble damals sagte, er „wisse nicht, wie er der Bevölkerung erklären solle, dass es ein System gibt, mit dem Straftäter verfolgt werden können, das Gesetz es ihm aber nicht erlaubt“. Wenn man dies mit ebenfalls einer Aussage Schäubles vergleicht, das „Bundesverfassungsgericht behindere ihn in seiner Arbeit“ liegt der Gedanke nahe, dass es nur eine Frage der Zeit ist, dass die Grenzen einer zulässigen Datenverarbeitung ausgedehnt werden.
    Es ist allerdings bemerkenswert, dass – sofern ich richtig informiert bin – Sie als der der Datenschutzbeauftragte von Toll Collect in Ihrer Kritik auf die rechtlichen Grundlagen zum Datenschutz abstellen, und an anderer Stelle deutlich wird, dass eine über die von Ihnen als ausschließlich beschriebenen Zwecke im Sinne des Gesetzes hinausgehende Nutzung des Toll Collect Systems stattfindet (http://www.taz.de/1/archiv/?id=archivseite&dig=2006/08/07/a0171)
    Jetzt müsste mir nur noch jemand erklären, wieso Sie sagen können: „Unser Mautsystem ist ein Zahlungssystem und kein Ortungssystem“; Toll Collect aber bei der Ortung gestohlener LKW behilflich ist. Wo bleibt hier die Zweckbindung? Und wo ziehen Sie eine Grenze der Zulässigkeit?

  2. Der Artikel enthält eine sachliche Unrichtigkeit. Der Verfasser schreibt unter anderem: gut, dass es Passanten gibt, dann braucht man kein Toll-Collect-System zur Strafverfolgung …
    Damit erweckt er den Eindruck, als werde das Mautsystem in Deutschland auch für Zwecke der Verbrechendbekämpfung eingesetzt. Dies ist aber definitiv nicht der Fall. DAs Maurgesetz enthält die schäftste Zweckbindung aller bereichsspezifischen Datenschutzregelungen in Deutschland. Sowohl die fahrt bezogenen als auch die Kontrolldaten dürfen nur und ausschließlich für Zwecke der Maut verwendet werden. Diese strikte Zweckbindung wird durch folgende Regelung abgefedert: § 4 Abs.3 und § 7 Abs. 2 ergänzen die Zweckbindung wie folgt: „Eine Übermittlung, Nutzung oder Beschlagnahme der Daten nach anderen Rechtsvorschriften ist unzulässig.“
    Aus dieser eindeutigen Regelung hat das LG Köln zutreffend gefolgert:“Anders als etwa die §§112 ff TKG enthält das Mautgesetz keine Auskunftspflicht sondern ein Auskunftsverbot.“ LG Köln 111 Qs 106/05.

    Insofern muss die entsprechende Passage im obigen Beitrag als irreführend wenn nicht sogar als polemisch zurück gewiesen werden.
    Eine nachträgliche Streichung der monierten Passage wäre angebracht.

  3. Und die Geschichte geht weiter. Gestern wurde bekannt, dass der zweite Ausbrecher gefasst wurde, nachdem er sein Mobiltelefon eingeschaltet hat. Weiterhin soll den Ausbrechern durch einen Bediensteten der JVA Aachen zur Flucht verholfen worden sein, was durch eine Videoaufzeichnung deutlich geworden wäre. Dieser Bedienstete sei mittlerweile verhaftet. Schöne neue Welt…
    Verstehe ich das richtig? Ist es so wenig bekannt, dass Handys geortet werden können und Videoaufzeichnungen als Beweismittel tauglich sind? Und woher hatte die Polizei die Telefonnummer des Ausbrechers? Ist es üblich, dass Gefangene ein eigenes Telefon haben?

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